Samstag, 27. August 2005, 22:30 Uhr
Los Arcos, Refugio

Der letzte Abend war besser als zu erwarten; zum einen gab es wirklich gut zu essen (wichtig für uns zwei), der Ort Puente de la Reina erwies sich als Pilger-Kleinod und schließlich gab es zwei bis drei Geräusch-Schläfer ab 22:30 Uhr, so dass der Schlaf im schönen Refugio dort beeinträchtigt war. Als es um Mitternacht im Sommer-Schlafsack (nackt) auch noch unerträglich warm geworden war, habe ich im Dunkeln eine Liegematte rausgezogen, eine Radlerhose angezogen und bin mit dem Schlafsack nach draußen gezogen. Zuerst hatte ich überlegt, ein Bett in einem kühleren Dormitorio zu suchen, aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht. 

Auf der Wiese hinterm Haus der Padres Reparadores lag schon einer, der mich fröhlich begrüßte und so belüftete ich die Matratze und legte mich schlafen - mit kurzen Unterbrechungen bis 6:00 Uhr (ab 0:30 Uhr laut Glockenschlag). Manchmal schreckt man ja hoch wegen Geräuschen oder so, aber alles in allem seeehr erholsam! Ein Hauch zu kalt am freiem Oberkörper, aber gut. Verena hatte meine Abwesenheit gesehen und berichtete heute, sie habe mich sogar dort schlummern sehen. 

Und siehe da, gerade haben wir das Zelt aufgebaut und werden gleich drin nächtigen. Der Riesen-Schlafsaal der vom flämischen Camino-Freunden betriebenen Auberge ist aber auch wirklich abstoßend, zum Beispiel Matratzen mit Plastik-Bezug zum liegen, wie früher die U-Bahn-Sitze, in Grün. Nun sind wir also dafür gerüstet, auch noch den letzten besorgten Extra-Gegenstand in Betrieb zu nehmen; ich bin gerade mal wieder sehr stolz auf mich, wie das alles wuppt. Und freue mich auf die Nacht. 

Der Ort ist übrigens der bisher abstoßenste, hässlichste und verlorenste - nicht zu empfehlen bei dem hier herrschenden hohen Niveau von schönen Orten und Plätzen (Fotos!). Der Tag war anstrengend, ca. 50 Kilometer laut Guide und m.E. sehr bergig. Ging gleich massiv los nach der Ortsausfahrt im Nieselregen. Wir haben teilweise Regenjacke getragen, aber echter störender Regen wurde nicht daraus - alles beim Fahren unmittelbar getrocknet. Ich bin wirklich heilfroh, dass bisher beide Vormittage bedeckt waren und keine Sonne auf uns brannte. Temperaturen ca. 20 Grad und ein schöner Wind machen das Fahren fast optimal.

Verena hat sich (sie nannte es: Kompromiss) ausbedungen, heute Straße zu fahren. Einige wirklich bemerkenswerte Camino-Original-Abschnitte habe ich ihr trotzdem abtrotzen können; hatten wir uns doch zu Haus geeinigt, so weit möglich das Original zu fahren. Die weggefallenen Abschnitte hatte der Guide fürs Bike auch nicht empfohlen und die, die wir fuhren waren für mich schon anstrengend genug. 

Verena hat mich heute positiv überrascht, hat zwar teilweise beim Aufklettern laut stöhnend getreten, aber kein einziges Mal gemotzt oder aufgegeben. Respekt das! Landschaftlich und von den Orten bisher echte Höhepunkte (Fotos) - diese Gegend kann ein umhauen – ich bin fast neidisch auf die Einwohner hier. Frage mich, ob es jemanden gibt, der als Tourist durch Berlin oder Brandenburg fährt und ähnlich denkt. Ich befürchte nein. Frage mich auch, wie die Bewohner hier das sehen, wenn sie zum Beispiel hinter ihrem Haus Landschaft wie schönstes Gemälde liegen haben. Es steht ja zu befürchten, dass sie sie liegen lassen.

Höhepunkte waren weiter das Fahren durch einen Pinienhain (Original-Camino) - einfach erhebend - und die Weinquelle von Irache (Kloster-Bodega). Ich habe für den Restweg (letzte etwa 15 Kilometer) eine halbe Flasche gefüllt und weitgehend tatsächlich beim Fahren abwechselnd mit Wasser getrunken. Wirkt!

Ich beginne, bei Anstiegen zu merken, dass „es läuft“ also „gute Beine“ (Jan U.). Verschmelze langsam mit dem Rad und fühle mich auch mit der Beladung wohl. Schnelle Abfahrten gewagt und eine besonders steinige Steigestelle fahrend bewältigt. Die Technik leidet & hat heute kleinen Service mit Tuch & Spray bekommen. Das wird aber alleine wohl nicht reichen. Spätestens zur Hälfte werden wir m.E. für die Schalteinheiten, Kette etc. professionelle Hilfe beanspruchen müssen, sonst geht da was kaputt. Viel Staub drin und die Schaltwerke hinten haben bei uns beiden stark nachgegeben bei mir ließ sich das noch justieren, aber bei der Neuner-Kassette von Verena hab ich es nicht geschafft und es kratzt noch. Übles Geräusch, zwar kein grober Defekt aber auf Dauer bedenklich. 
Ich hoffe alles hält durch - manchmal fahre ich staunend über dieses Material - und wünsche gute Nacht!

Ende dieses Abschnittes